Mittwoch, 23. September 2009

Die Anwort von Herrn Amann (SPD)

Sehr geehrter Herr Beck,

bitte verzeihen Sie, dass ich Ihnen heute erst antworte, aber wahlkampfbedingt kam ich einfach nicht früher dazu.


Sehr gerne beantworte ich Ihre Fragen, da sie sich mit einem sehr wichtigen Thema beschäftigen, nämlich: Welchen Stellenwert hat Kultur in unserer Gesellschaft und in der Politik bzw. welchen Wert sollte sie haben?


Und als Gründungsmitglied des "Frankfurter Kulturforums der Sozialdemokratie" ist dies ein Thema, das mir auch persönlich sehr am Herzen liegt.

Nun aber zu Ihren Fragen im Einzelnen:


- Wie soll dieser Kreativpakt aussehen?

Hier erspare ich mir eine längere Antwort, denn zum einen können Sie im so genannten "Deutschland-Plan" ("Die Arbeit von morgen") unseres Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier nachlesen, was er dazu schreibt und zum anderen hänge ich Ihnen einen Text zu diesem Thema an, der von einer Reihe prominenter Künstler und Kreativer veröffentlicht wurde, die darin ihre Vorstellung eines sozialdemokratischen Kreativpakts formulieren.


- Bekennen Sie sich zum Fortbestand der Künstlersozialkasse?

Klare Antwort: Ja!

Die deutsche Künstlersozialversicherung ist ein Erfolgsmodell, um das uns Künstler in vielen anderen Ländern beneiden. Wir Sozialdemokraten haben uns in der vergangenen Legislaturperiode erfolgreich dafür eingesetzt, sie zu stärken und weiterzuentwickeln. So gelang es uns beispielsweise ganz aktuell, den Bezug für Arbeitslosengeld I für kurzzeitig Beschäftigte (wie es z.B. in der Filmbranche typisch ist) zu erleichtern.


- Unterstützen Sie die Idee und Entwicklung eines bedingungslosen

Grundeinkommens?

Auch wenn das bedingungslose Grundeinkommen erst einmal eine verlockende Idee zu sein scheint, hält diese - wie viele verlockende Utopien – nach meiner Auffassung einer Realitätsüberprüfung nicht stand, wenn man sich mit allen auftretenden Detailfragen und Konsequenzen beschäftigt. Ich halte ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht nur für unfinanzierbar, sondern ich halte vor allem die Grundannahme für falsch, die unterstellt, der Staat hätte eine bestimmte Summe an Geld zur Verfügung, die er verteilen könnte – ganz egal wie viele sich und in welchem Ausmaß an der Erarbeitung dieses Wohlstandes beteiligen. Mir erscheint das als sehr weltfremd und ich teile dabei die Meinung des französischen Soziologen Robert Castel: „Aber manche Utopien sind gefährlich, weil sie von der Suche nach realistischeren Alternativen ablenken“.

Mich persönlich haben insbesondere die Argumente von Julian Nida-Rümelin, Eberhard Eichenhofer, Horst Siebert und Christoph Buttwerwegge davon überzeugt, dass die Idee eines "bedingungslosen Grundeinkommens" nichts mehr als eine sozialromantische Illusion ist. Wenn Sie im Internet nach diesen Namen suchen, finden Sie einige gute Artikel zu diesem Thema, die sich ausführlicher als meine Antwort damit auseinandersetzen


- Stehen Sie zum Staatsziel Kultur im Grundgesetz?

Ja - auch wenn ich ansonsten eher skeptisch bin, wenn es darum geht, das Grundgesetz durch immer weitere „Staatsziele“ zu erweitern.


- Wie wollen Sie Künstler finanzieren, und nicht bloß fördern?

Der Staat ist ein wichtiger Käufer, Nachfrager und Auftraggeber von Kunst und soll es auch bleiben. Dass der Staat aber allen Künstlern sozusagen in Form einer unbegrenzten „Abnahmegarantie“ das Überleben sichert, kann ich mir nicht vorstellen. Zum einen widerspräche dies den Grundlagen unseres Wirtschaftssystems und würde Künstler anderen Berufsgruppen gegenüber bevorzugen, aber auch die staatliche Abhängigkeit, die dadurch entstünde, widerspräche meinem Verständnis einer „freien Kunst“.


Wichtig ist m.E. vielmehr die Finanzierung und Organisation der sozialen Absicherung von Künstlern, Kultur- und Medienschaffenden und die Herstellung von Rahmenbedingungen, welche das Schaffen von Kunst ermöglicht und fördert. Dies ist einer der Gründe, weshalb ich, wie oben bereits ausgeführt, die Künstlersozialkasse (KSK) unterstütze. Da sich auch die Arbeits- und Lebensbedingungen der meisten Künstler verändern, muss auch die KSK ständig weiterentwickelt werden, indem wir beispielsweise die Zugangsbedingungen und die Finanzierung überprüfen und den sich verändernden Realitäten anpassen. Als Sozialdemokrat setze ich mich aber auch für Tarifverträge und soziale Mindeststandards im Kultur- und Medienbereich ein, insbesondere auch für Praktikanten.


Und ich setze mich für die Finanzierung von Stipendien und Ateliers ein – soweit ich das als Abgeordneter (z.B. auch mit meinen Beiträgen zur öffentlichen Meinungsbildung) beeinflussen kann.


Ich halte es für sinnvoll, die Einführung einer Kulturflatrate endlich einmal ernsthaft zu prüfen. Eine gesetzlich geregelte Pauschalabgabe auf Internet-Anschlüsse könnte an Künstler und Kreative verteilt werden; im Gegenzug könnte die Weitergabe digitaler Kopien zum Beispiel in Filesharing-Netzen legalisiert werden. Der ganze Themenkomplex des Schutzes geistigen Eigentums und die Anpassung der Verdienstmöglichkeiten für Künstler und Kreative an die Gegebenheiten digitaler Herstellung und Distribution spielen bei der Finanzierung von Kunst eine große Rolle. Wir brauchen einen vernünftigen Ausgleich zwischen Nutzerfreundlichkeit und den Rechten der Kreativen.


Zu den wichtigen Instrumenten des Bundes, die Rahmenbedingungen der Künstler und Kulturberufe zu gestalten, gehört auch die Steuergesetzgebung. Unser allgemeines Steuerrecht enthält bereits verschiedenste Regelungen im Einkommens- und Umsatzsteuerrecht, welche die besondere Situation von Künstlern berücksichtigen und der Förderung von Kunst und Kultur dienen. Es gibt aber immer wieder Fortentwicklungen, die noch nicht den Eingang in die Gesetzgebungs-Maschinerie gefunden haben. Das betrifft zum Beispiel den längst in den Kanon der Kunstwerke aufgenommenen Bereich der Kunstfotografie. Kunstwerke unterliegen dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Dieser ermäßigte Satz muss auch zukünftig so bleiben.


Übrigens war es Bundeskanzler Gerhard Schröder, welcher der Kultur in Deutschland durch die Berufung eines Bundeskulturbeauftragten mehr Gewicht verliehen hat, auch wenn ich persönlich den derzeitigen Kulturstaatsminister eher etwas farblos finde. Angela Merkel hat sich außer der Präsenz bei den Bayreuther Festspielen bisher kaum um die Kultur gekümmert. Ich fände eine stärkere Koordination der Kulturpolitik der Länder seitens des Bundes wünschenswert, denn grundsätzlich halte ich es für wichtig, dass die Kultur auch im Bund eine größere Rolle einnimmt. Ich habe es daher schon immer für problematisch erachtet, die Kultur den einzelnen Bundesländern alleine zu überlassen.


Sie können meine Antwort auch gerne, falls Sie dies wünschen, in Ihrem Internetblog veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen,
Gregor Amann, MdB

1 Kommentar:

  1. War sehr interessant für mich die Antwort zu lesen. Vielen Dank fürs Posting und einen schönen Tag!

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